Das Goldeimer Gehaltsmodell

Unser Gehaltsmodell ist ein wichtiger Baustein in unserer Beziehung zu Geld. Seit unserer Gründung 2014 experimentieren wir mit verschiedenen Modellen und gehen der Frage nach einem fairen Gehalt nach. 2021 haben wir unser Modell und unsere Gedanken das erste Mal öffentlich gemacht. 2022 haben wir das alles mithilfe unserer Team Facilitatorin Sarah, die uns seit mehreren Jahren auf der Reise zu einem selbstorganisierten, sozialeren Unternehmen begleitet, nochmal auf den Prüfstand gestellt. Hier zeigen wir euch, wie unser Modell aktuell funktioniert.

21. Jan 2025 Von Tanja Wente 5 Kommentare

Was bedeutet faires Gehalt?

We hate to break it to you: Das perfekte Gehaltsmodell gibt es nicht. Das haben wir auf unserer Reise schnell gelernt. Unser Anspruch ist daher, dass Gehaltsprozesse bei Goldeimer transparent, fair und nachvollziehbar sein sollen. Aber was ist ein faires Gehalt?

Fairness beruht u.a. auf einer gemeinsamen Wissens- und Informationsbasis. Fairness zu empfinden setzt im Kern vor allem Verständnis voraus – im Sinne von verstehen können. Es braucht Klarheit über das Gehaltsmodell, über die Finanzen von Goldeimer und entsprechend über realistische Entwicklungspotentiale aus Sicht des Individuums sowie der Organisation. Gleichzeitig braucht es eine Vertrauens-Atmosphäre, in der jede Person im Team auch Herausforderungen adressieren kann.

Dabei ist fair nicht gleich gerecht:

Fairness bedeutet, dass Menschen gleich behandelt werden.

Gerechtigkeit heißt, dass Menschen behandelt werden, wie sie es verdienen.

Wir haben für uns entschieden, dass das Gehaltsmodell nicht allen individuellen Bedürfnissen und Lebensumständen - und damit allen betroffenen Personen - gerecht werden kann. Aber es kann fair sein. Und das heißt für uns vor allem transparent, nachvollziehbar und verbindlich einforderbar – egal von wem im Team. Und so sieht das jetzt in der Praxis aus.

Das "soziale Gehalt"

Grundlage des Gehaltsmodells bildet bei uns das sogenannte soziale Gehalt. Es beschreibt eine garantierte Gehaltsstufe für ein finanziell sorgenfreies Leben. Diese Einschätzung ist natürlich relativ – wir haben uns dabei an Daten vom bundesdeutschen Durchschnitt in Metroploregionen orientiert. Das soziale Gehalt deckt die durchschnittlichen Lebenskosten für einen Single-Haushalt ab und ist sozusagen das Mindestgehalt, was eine Person bei Goldeimer verdienen kann. Es beträgt bei uns (Stand 01. März 2025) 2.750 Euro Arbeitnehmer*innen-Brutto bei einer Vollzeitstelle.

Wie funktioniert das soziale Gehalt? Wird eine Person in unserer Matrix niedriger als das soziale Gehalt eingestuft (z.B. weil sie wenig Erfahrung als Berufsanfänger*in mitbringt), erhält sie automatisch solange das soziale Gehalt, bis ihre Einstufung diese Summe übersteigt

Ist das sozial?

Wir haben viel diskutiert, was das Wort in diesem Zusammenhang eigentlich für uns bedeutet – und laden alle herzlich ein, dies auch zu tun. Ist nämlich gar nicht so einfach. Hier stehen ein paar Fragen, die wir uns in diesem Kontext gestellt haben. Wichtig war am Ende für uns, dass das soziale Gehalt eine faire Grundlage ist, weil sich jede Person auf diesen gleichen Wert als Basis beziehen kann – unabhängig von dem Verantwortungsgrad oder der Erfahrung.

Welche durchschnittlichen Lebenskosten nehmen wir als Grundlage, wenn manche Teammitglieder in Kiel, andere in Hamburg oder in Bad Segeberg wohnen?

Soll das soziale Gehalt den Konsum von Bio- und Fairtrade-Produkten abdecken? Ist das der angestrebte Standard oder ist das eine privilegierte Position?

Wie viel Sparpotential für die Zukunft und Alterssicherung sollte es bereits enthalten? Und ist das überhaupt die Aufgabe des Gehalts oder eigentlich die eines Sozialstaates?

Welche Familien- oder Genderaspekte möchten oder müssen wir darüber hinaus berücksichtigen, um systemische Benachteiligung nicht zu übernehmen?

Die Gehaltsmatrix

Schon seit einigen Jahren nutzen wir zur Einstufung und Berechnung der Gehälter eine Matrix. Im Kern basiert die Gehaltsmatrix bei Goldeimer folgende drei Aspekte:

Basisbetrag

Der gleiche Grundwert für alle

Hardfacts

Welche Skills und Qualifikation bringt eine Person mit in die eigenen Rollen und Organisation?

Verantwortung

Wie viel Verantwortung übernimmt eine Person in ihren Rollen und wie definieren wir Verantwortung?

Basisbetrag

Der Basisbetrag bidet die Ausgangssumme der Matrix, die für alle gleich ist, z.B. 1800€. Je nach wirtschaftlicher Entwicklung kann dieser Betrag angepasst werden. Ergibt das jährliche Finanzcafé (unser Format zum Finanz-Austausch) beispielsweise, dass 36.000 Euro mehr in Personal investiert werden können, kann der Gehaltsrat entscheiden, den Betrag gleichmäßig aufzuteilen und alle Gehälter über einen höheren Basisbetrag anzuheben.

Hardfacts

Was du schon mitbringst, soll belohnt werden.

Bei den Hard Facts werden "messbare" Skills wie Ausbildung und Erfahrung bepunktet. Dabei war uns wichtig, diverse Lebens- und Ausbildungswege zu berücksichtigen und neben klassischen Ausbildungsstationen und Berufserfahrung auch ehrenamtlichem Engagement, freien Projekten und Erfahrungen, die wichtige Skills für die heutige Rolle in der Organisation vermittelt haben, einen Wert zuzuschreiben. Neben den Kategorien Ausbildung und Erfahrung gibt es bei uns außerdem noch den “Gold-Eimer”. Hier kann der Gehaltsrat weitere Punkte für bspw. besondere Intra-Spezialisierung, Netzwerkzugänge oder Talent vergeben.

Die Grundlage der Hardfacts-Einstufung bildet eine jährliche Selbstauskunft der Mitarbeitenden. Die Punkte werden am Ende in eine Matrixstufe übertragen. 

Verantwortung

Wie du dich einbringst, soll belohnt werden

Die zweite Achse unserer Gehaltsmatrix bildet der Verantwortungsgrad der ausgefüllten Rollen der Person, differenziert in den vier Kategorien Team, Finanzen, Arbeitsbereich und Strategie. In jeder Kategorie gibt es drei Verantwortungslevel: A - grundlegend, B - hohe Verantwortung, C - höchstmögliche Verantwortung. Alle Rollen werden darin einsortiert. Die Einordnung passiert unabhängig von der Person, die die Rolle bekleidet. So wollen wir Bias vermeiden und eine gleichwertige Betrachtung gewährleisten. Der Verantwortungsgrad ergibt sich aus der Summe der Punkte und wird am Ende in eine Matrix-Stufe umgewandelt.

In der Gehaltsmatrix kommen alle Faktoren zusammen. Hier sind die beiden Ebenen Verantwortung und Hardfacts abgebildet. Die individuellen Werte werden übertragen und entsprechend der definierten Faktoren wird das Gehalt berechnet. In der Tabelle können alle Mitarbeiter*innen ihr Gehalt (brutto) ablesen.

Wer entscheidet über die Gehälter?

Einer der wichtigsten Aspekte unseres Gehaltsmodells befindet sich allerdings außerhalb der Matrix. Es ist der Part, in dem es um Machtsensibilisierung und Hierarchie geht. Wer bestimmt letztlich die Gehälter?

Der Gehaltsrat

Bei Goldeimer entscheidet nicht mehr allen die Geschäftsführung über die Gehälter, sondern der Gehaltsrat. Der Gehaltsrat ist eine Art Gremium aus Mitarbeitenden und für die Entwicklung und Umsetzung des Gehaltsmodells zuständig. Er wird vom ganzen Team demokratisch gewählt und ist paritätisch besetzt. Im Gehaltsrat sollten möglichst viele Perspektiven und Lebensrealitäten abgebildet werden (z.B. Geschlecht, Alter, Lebenssituation, Betriebszugehörigkeit). Bei uns besteht er aus vier Mitarbeitenden, wobei die Rollen Finanzminister*in und Team Facilitation grundsätzlich immer Teil des Gehaltsrates sind. Sie müssen sich aber in einer anonymen Wahl regelmäßig dem Vertrauensvotum stellen. Alle weiteren Mitglieder werden für zwei Jahre gewählt. 

Mit dem Gehaltsrat schaffen wir eine Instanz aus mehreren Personen, die für das Thema Gehalt zuständig und ansprechbar sind, gleichzeitig aber nicht per se geschäftsführend. Das senkt die Hemmschwelle, Herausforderungen oder Wünsche offen zu adressieren. 

Im Gehaltsprozess kommt alles zusammen

Das soziale Gehalt, die Matrix und der Gehaltsrat werden erst mit dem jährlichen Gehaltsprozess zu einem runden Gehaltsmodell. Mehr dazu erfährst du hier.

Mehr zum Thema Gehalt bei Goldeimer

Der Gehaltsprozess

Gehaltsprozess in acht Schritten: Der jährlich wiederkehrende Prüfprozess ist das Rückgrat unseres Gehaltsmodells.

Gehalt bei Goldeimer

Seit unserer Gründung 2014 gehen wir der Frage nach einem fairen Gehalt nach. Was heißt das für uns bei Goldeimer?

Kommentare



5 Kommentare

Skye (Goldeimer)

Moin Sylvia,

vielen Dank für deine wichtige Frage. Auch in dem von dir beschriebenen Fall bzgl. Unterhaltspflichten haben wir uns die Frage gestellt, wofür der Arbeitgeber eigentlich verantwortlich ist und wo die Verantwortung des Arbeitgebers auch aufhört und bspw. der Sozialstaat verantwortlich ist / sein sollte. Zusätzlich gibt es bei uns eine +1 Regelung für eine weitere Person im Haushalt, die man ggf. mitfinanziert. Darunter fallen bei uns nicht nur Kinder, damit wir nicht nur klassische Familienmodelle berücksichtigen :)

Liebe Grüße
Skye

Skye (Goldeimer)

Moin Ralf,

vielen Dank für deine Nachricht!!

Den von dir beschriebenen Fall haben wir so konkret noch nicht besprochen, aber ähnliche Fragen und grundsätzliche Haltungen. Zum Beispiel haben wir ausgiebig diskutiert, wofür der Arbeitgeber eigentlich verantwortlich ist und wo die Verantwortung des Arbeitgebers auch aufhört und bspw. der Sozialstaat verantwortlich ist / sein sollte. Dein Fall könnte da zum Beispiel reinfallen. Zusätzlich haben wir uns darauf geeinigt erstmal unseren Fokus auf die wichtigsten gemeinsamen Nenner zu legen, um den Rahmen des Modells nicht zu sprengen und es nicht zu groß und komplex werden zu lassen. Unsere Priorität ist es aber immer so sozial zu agieren, wie es im Rahmen unserer Möglichkeiten ist :)

Liebe Grüße
Skye und die Goldis

Sylvia Leding

Sehr spannend und definitiv richtungsweisend. Mich interessiert auch die Frage, inwiefern Unterhaltspflichten berücksichtigt werden bzw. weshalb ihr euch dagegen entschieden habt, denn wenn die Referenz für das Basisgehalt die LHK eines Singles sind, wird das Bild ja schnell schief.
Wo finde ich den anderen Blogpost zur Gehaltsmatrix?
Danke und Grüße aus Köln
Sylvia

Ralf

Hallo Leute,

vielen Dank fürs Teilen, ich habe es mit Interesse gelesen und finde den Bericht inspirierend. Danke.
Ihr schreibt, dass “das Gehaltsmodell nicht allen individuellen Bedürfnissen und Lebensumständen – und damit allen betroffenen Personen – gerecht werden kann.” – Ja, das sehe ich auch so und es zeugt auch von einer gewissen menschlichen Reife des Teams, das so zu vereinbaren. Auf der anderen Seite war meine erste Reaktion, "mensch, aber es könnte doch einen Härtefallfaktor oder dergleichen geben (z.B. wenn jemand von Partner*in sitzen gelassen wird und nun die ganzen Ausgaben für 2 oder 3 Kinder alleine stemmen muss) – habt ihr das diskutiert?

Danke nochmals für euere Offenheit und die Einsichten,
einen herzlichen Gruß
Ralf

Christian Koch

Moin Moin,
wir haben bei oceanBASIS (www.oceanbasis.de) ein ganz ähnliches Modell. Aber Ihr habt es noch viel besser verfeinert und vor allem den Prozess drumrum finde ich richtig gut. Ich bin sehr beeindruckt und finde so viele Anregungen in diesem post. Danke!!!
LG Christian

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