Trigger Warning (TW): In diesem Artikel geht es unter anderem um Fäkalien, Blut, Diskriminierung, sexualisierte Gewalt und Tod.
Seit rund zehn Jahren machen wir uns mit Goldeimer stark für Klos. Jeder Schritt in diese Richtung geht damit einher, dass wir Aufmerksamkeit auf Themen rund um die Toilette lenken, mit Menschen darüber in den Austausch gehen und den Klogang ganz nebenbei enttabuisieren. Dass Kacki, Urin und der ein oder andere Pups den Körper in irgendeiner Form verlassen, ist ganz normal und gehört für die meisten von uns zum Leben dazu. Was für viele Menschen mit Uterus und Vulva auch dazugehört: Die in etwa monatlich auftretende Menstruationsblutung. In diesem Moment menstruieren auf der Welt gerade über 300 Millionen Menschen. Und trotzdem ist die Monatsblutung kulturübergreifend und weltweit in vielen Gesellschaften stark tabuisiert. Sie findet, wie das große Geschäft auch, hinter verschlossener Tür statt und ist oft mit Scham und Ekel behaftet. Das führt dazu, dass Menschen nicht gerne darüber reden, unzureichende oder falsche Informationen verbreiten und menstruierende Menschen stigmatisiert werden.
Die Tabuisierung der Monatsblutung
Gesellschaftliche Tabus zeigen sich häufig in ihrer medialen Darstellung. Menstruationsblut ist hier ein Paradebeispiel. Es ist nicht nur unterrepräsentiert, sondern wird auch realitätsfern dargestellt. 2017 wurde die weltweit erste Fernsehwerbung für Periodenprodukte ausgestrahlt, in der Blut nicht mehr durch eine blaue, sondern eine rote Flüssigkeit abgebildet wurde. In Deutschland war 2021 das erste Mal rote „Periodenflüssigkeit“ in der Werbung zu sehen. Der mediale Aufschrei war jedes Mal groß. Das typische Bild in Artikeln, die darüber berichten, zeigt eine Binde – mit rotem Glitzer darauf.
Doch die Periode ist nicht nur ungern gesehen, sie wird auch selten direkt benannt. Eine internationale Umfrage mit rund 90.000 Teilnehmenden aus 190 Ländern wollte 2016 Synonyme für und Redewendungen rund um die Monatsblutung herausfinden. Das Ergebnis: Über 5.000 verhüllende und/oder verniedlichende Spitznamen für die Menstruation! Auch im Deutschen bedienen wir uns Ausdrücken wie „Erdbeerwoche“, „die Tage“ oder „Besuch von Tante Rosa“, um mit allen Mitteln das Wort „Blut“ zu umgehen. Umschreibungen wie diese zeigen, wie gesellschaftlich tabuisiert die Monatsblutung ist.
Alte Mythen, reale Gefahren
Butter bei die Fische, redest du offen und entspannt mit Freund*innen oder Familienmitgliedern über die Periode? Auch mit nicht-menstruierenden Personen? Könntest du anderen Menschen den Zyklus erklären? Würdest du andere Personen genauso entspannt nach einem Tampon fragen, wie nach einem Taschentuch? Wahrscheinlich nicht. Aber damit bist du nicht allein. Die Gründe für dieses Verhalten sind vielfältig und tief verwurzelt. Sie reichen von historischen Fehlannahmen bis hin zu modernen kulturellen Normen. Im Laufe der Weltgeschichte gab es Zeiten und Kulturen, in denen die Menstruation zwar positiv belegt, oftmals aber mystifiziert war. So wurden ihr beispielsweise wundersame Heilkräfte nachgesagt oder sie galt als Zeichen der Fruchtbarkeit, weswegen Periodenflüssigkeit bspw. in Ritualen für ertragreiche Ernten eingesetzt wurde. Der Gedanke, den Boden mithilfe von Menstruationsblut zu verbessern, ist dabei gar nicht so weit hergeholt. Ähnlich wie Kacke und Urin, enthält auch Menstruationsflüssigkeit wichtige Nährstoffe und kann durch sorgfältige Kompostierung zu einem hochwertigen, ökologischen Pflanzendünger werden.
Es gibt jedoch so weitreichende Irrtümer, Aberglauben und damit verbundene Ängste, dass die Monatsblutung überwiegend negativ konnotiert ist – und das hat erhebliche Folgen. Die Stigmatisierung kann bei Menstruierenden Gefühle wie Scham oder Angst auslösen und langfristige Auswirkungen auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden haben. Doch die Probleme, mit denen menstruierende Menschen konfrontiert sind, sind leider noch umfangreicher.
Weniger Stigmata, mehr Chancen
Internationale Berichte zeigen, dass viele Mädchen und Frauen während ihrer Menstruation nur stark eingeschränkt zur Schule oder Arbeit gehen und seltener als sonst an sozialen Aktivitäten teilnehmen. In Indien beispielsweise sind die Stigmatisierung der Monatsblutung und der fehlende Zugang zu sauberen sanitären Anlagen noch heute die Hauptgründe dafür, dass junge menstruierende Menschen dem Unterricht fernbleiben oder ihren Schulbesuch sogar gänzlich abbrechen. Und wo es keine gleichberechtigte Bildungsteilhabe und Partizipation gibt, kann es auch keine Chancengleichheit in vielen anderen Bereichen des Lebens geben.
Dazu kommt, dass insbesondere FLINTA* aus den ärmsten Bevölkerungsschichten überproportional stark von mangelnder Sanitärversorgung betroffen sind. Oft fehlt ihnen die Möglichkeit, auf saubere und sichere Toiletten zu gehen, an denen sie sich in Ruhe mit Wasser waschen und umziehen können. Das hat gravierende Folgen, denn unsaubere Materialien oder Hände, eine inkorrekte Handhabung von Periodenprodukten oder der fehlende Zugang zu sauberen Toiletten erhöhen das Risiko von Infektionen und potenziell tödlichen Erkrankungen.
Was bedeutet Periodenarmut?
Die Tabuisierung der Monatsblutung und Stigmatisierung von menstruierenden Menschen trägt außerdem zur sogenannten Periodenarmut bei. Der Begriff »Periodenarmut« (engl. ‚period poverty‘) beschreibt insbesondere den fehlenden Zugang zu Menstruationsprodukten, zu Aufklärung und Informationen rund um das Thema Monatsblutung sowie zu angemessenen sanitären Anlagen. Von den rund 2 Milliarden Menschen, die weltweit jeden Monat menstruieren, erleben fast 25%, also ca. 500 Millionen Menschen, Periodenarmut.
Was steckt dahinter? Periodenprodukte sind für viele Menschen zu teuer oder nicht verfügbar. Insbesondere Mädchen und Frauen in ländlichen Gebieten sowie in finanzieller Armut lebende Personen sind davon betroffen – auch im globalen Norden. Eine repräsentative Umfrage von Plan International zeigt, dass es auch in Deutschland für fast ein Viertel der Befragten finanziell schwierig ist, sich ausreichend mit Periodenprodukten wie Binden, Tampons oder Menstruationstassen einzudecken.
Fazit: Periodenarmut führt im Kern zu einer strukturellen Benachteiligung von Menstruierenden. Dabei handelt es sich bei Zugängen zu Bildung, Gesundheit oder Sanitärversorgung um Menschenrechte, die es global zu gewährleisten und zu schützen gilt.
Und was machen wir jetzt?
Was müssen wir tun, um diese universell gültigen und unentbehrlichen Rechte zu verwirklichen? Die Antwort ist genauso einfach, wie sie komplex ist: Wir müssen menstruierende Menschen aufklären, sie in ihren Bedürfnissen unterstützen und dafür sorgen, dass Periodenprodukte weltweit zugänglich und verfügbar sind.
Um das zu erreichen, braucht es öffentliche Aufklärungsarbeit, kulturellen Wandel, Veränderungen in der Politik, im WASH-Bereich (Water, Sanitation & Hygiene) und internationale Kooperationen. Goldeimer setzt sich als gemeinnützige GmbH dafür ein, dass saubere und sichere Sanitäranlagen für alle Menschen zugänglich sind und führt gemeinsam mit Viva con Agua das Projekt Menstruationsgesundheit und Aufklärung in Uganda durch.
Die Vision: Wir wollen nicht nur den Zugang zu sanitären Anlagen und Menstruationsprodukten verbessern, sondern die Themen rund um die Monatsblutung aktiv enttabuisieren.
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